CÄSAR

"CÄSAR"

Löwenzahn & R.U.M.Rec.'95, LZ 2022-2 Time:53:49

Peter "Cäsar" Gläser dürfte den "Wessis" unter den GOOD TIMES-Lesern weitgehend unbekannt sein, zu hoch war die Mauer auch von dieser Seite in kultureller Hinsicht. (Doch wieso haben wir im Osten so viel von Euch gekannt, dagegen Ihr so wenig von uns??). In der DDR war CÄSAR so bekannt wie hier seinerzeit ein RORY GALLAGHER oder gar JOHN LENNON!

Als Gitarrist der legendären (und später verbotenen) Leipziger RENFT-Combo und danach bei KARUSSELL hatte er sich mit Liedern wie "Besinnung" und "Wer die Rose ehrt" in die Herzen der nonkonformistischen DDR-Jugend gespielt, war die unangefochtene Nr.1 unter den Gitarristen (mit westlichen Worten: eine "Kultfigur") und blieb dennoch eine ehrliche, auf dem Teppich gebliebene Persönlichkeit. In den 80ern war er u.a. live sehr aktiv, Tondokumente von CÄSAR´s ROCKBAND gibt es leider keine - nicht jeder hatte die Chance, beim Staatslabel AMIGA Platten aufzunehmen.

Alles lange her, nun liegt seine erste CD vor und die fesselt mich vom 1.Track an: In ein atmosphärisch düsteres Intro schneidet sich eine derart melodische Leadgitarre, die einen abheben läßt. Das Arrangement wird fortan immer dichter und entlädt sich in ineinandergeschachtelten "Halleluja"-Chören. Schon dieses Stück macht klar, dies ist nicht der Solo-Trip eines Supergitarristen, auch wenn seine Qualitäten in jedem Stück aufblitzen.

Cäsar, seit jeher ein der Songtradition verpflichteter Musikant, präsentiert sich mit seinen beiden Sidemen Jürgen Schötz (dr) & Volkmar Große (bg) plus vielen Gästen an Mandoline, Violine, Akkordeon etc. als ein stilistisch nach allen Seiten offenes Team, das die Instrumente songdienlich einsetzt. Als Sänger sah er sich schon damals nicht, doch mochte ich von den o.g. Bands gerade die Titel die ER sang. Und so ist es seine ungekünstelte, warme Stimme, die mit sonoren Tönen den Weg zum Hörer nimmt und ihm damit den Schlüssel zum Kern der Stücke überreicht.

Logisch, daß vieles "nach früher" klingt, und das ist durchaus positiv gemeint. Der einst auferlegte Zwang, Rock in deutsch zu machen (und das lange vor LINDENBERG!), ließ vieles entstehen, das ein Niveau weit über dem hierzulande üblichen hatte. Weshalb sollte man solche Traditionen heute leugnen? So gibt's -sicher nicht zufällig- eine Neubearbeitung des RENFT- Klassikers "Apfeltraum", auch die wunderschöne Ballade "Lass mich nie allein" ist ein Aufgreifen des alten CÄSAR-Stils. Daß eine konsequente Weiterführung solcher Wurzeln wahnsinniges erbringen kann, belegt "Kain ist tot"; ergreifender konnte dieser Gerulf Pannach-Text nicht umgesetzt werden.

Gelungen sind auch die folkigen Stücke, sei es das zu BO DIDDLEY- Rhythmus gefiedelte "Wie´s kommt kommts" oder das durch Reggae-Elemente zum Ohrwurm frisierte "Im Bauch des Riesen". Selbst Hardrocker a la ZZ TOP ("Help me, Darling") werden interessant aufgemischt, wenn es der Inhalt fordert. So das Auftauchen einer Blaskapelle in "Die Gewalt". Nicht minder originell ist "Friede Freude Eierkuchen" mit seinem Dada-artigen Text, schrägen Wave-Pop beatet auch "Life Is Over" und das letzte Stück "Umsonst" holt uns wieder auf den Boden zurück. Kammermusikalisch inszeniert, erzeugt der tiefe Gesang zu Piano- u. Streicherbegleitung im Hörer Momente der Besinnung und rundet Cäsars Opus sehr emotional ab.

Für das Texten war er diesmal weitgehend selbst zuständig, das meiste davon kann für sich allein als Lyric stehen. Eine Platte, die sich mit jedem Hören neu erschließt, die in beiden Kategorien (Text/Musik) weit mehr zu sagen hat als das Gros der westdeutschen Rockproduktionen der letzten 10 Jahre. Wäre zu schön, wenn Cäsar damit auch ein gesamtdeutsches Publikum finden und begeistern könnte!

Zu ordern bei: Löwenzahn Records GmbH, Rudolf-Breitscheid-Str. 39, 04105 Leipzig

js

für GOOD TIMES 5/95 (ROCK)

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